Forschung

Wir bewegen uns bei all unserer Arbeit interdisziplinär – in einem Viereck zwischen Business, IT, Psychologie und Nachhaltigkeit. Messbarkeit und Methoden interessieren uns sehr. Denn genau dann wird es spannend und überzeugend, wenn wir beispielsweise vor und nach Maßnahmen der Veränderung Messwerte betrachten können, um Ableitungen zu treffen, ob die gewählten Methoden uns unserem Ziel näher bringen oder nicht.

Was ist das Forschungsinteresse?

Im Rahmen des Ph.D. an der Universidad Católica de Murcia (UCAM) in Murcia führt Laura Studien im Kontext von Organisationsentwicklung und Organisationspsychologie durch. Die Studien werden im Rahmen einer Doktorarbeit erhoben, daher besteht kein kommerzielles Interesse. Die Ergebnisse werden im Anschluss unter www.teamagile.org/forschung/ frei veröffentlicht.Studien in Software-Produktentwicklungsteams

Das Forschungsinteresse der ersten Studie war das Klima für Innovationen und das Erleben von Flow und Besorgnis von Teammitgliedern von Software-Produktentwicklungsteams während der Arbeit. Außerdem wurde untersucht, ob es die Teamgröße einen Unterschied macht.
Unternehmen sind bestrebt, ein Klima herzustellen, das die Entwicklung von Innovationen begünstigt. Es wurden bereits zahlreiche Studien zu den Voraussetzungen und Zusammenhängen des Klimas für Innovationen durchgeführt – kaum jedoch zu dem Zusammenhang mit dem Flow-Erleben oder gar möglichen negativen individuellen Auswirkungen wie Besorgnis (Newman, 2020). Was ist Flow? Flow wird als ein Geisteszustand beschrieben, der dann eintritt, wenn sich jemand optimal herausgefordert und vollständig in die aktuelle Aktivität eingebunden fühlt. Dieser Zustand wird als fesselnd und erfreulich empfunden (Csikszentmihalyi, 1999). Warum ist das für Unternehmen wichtig? Es wurde bereits mehrfach erforscht, dass ein positiver Zusammenhang zwischen dem arbeitsbezogenen Flow-Erleben von Mitgliedern von Unternehmen und diversen organisatorisch relevanten Ergebnissen besteht (e. g. Demerouti, 2006; Kuo & Ho, 2010). Flow ist somit sowohl für Individuen als auch für Unternehmen wünschenswert und hilfreich. Software-Produktentwicklung geht mit hoher Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme einher. Daher ist davon auszugehen, dass sie auch negative individuelle Effekte haben kann.

Die Daten der ersten Studie sind bereinigt und ausgewertet (N = 323). Vielen Dank an alle Probandinnen! Das wahrgenommene Teamklima für Innovationen hat nach Ergebnissen der Studie einen signifikanten Einfluss auf das Erleben von Flow und Besorgnis bei Mitgliedern von Software-Produktentwicklungsteams. Die verwendeten Skalen zeigen für die gewählte Zielgruppe eine hohe interne Konsistenz. Was heißt das für die Praxis? Ein förderliches Klima kann durch die vier Aspekte des Teamklimas für Innovationen positiv beeinflusst werden: das Vorhandensein einer Vision, die Schaffung von Aufgabenorientierung, die Förderung partizipativer Sicherheit und die Sicherstellung von Unterstützung für Innovationen (Anderson & West, 1998; Brodbeck et al., 2000). Diese Faktoren stehen im Zusammenhang mit einem Erleben von Flow bei den Individuen. Der Zusammenhang besteht unabhängig vom Alter, der Teamgröße und dem Geschlecht, es liegen also keine Geschlechtereffekte vor.  Die Teamgröße hatte keinen Einfluss auf die Wahrnehmung der Proband:innen. Aktuell ist ein entsprechender Journalbeitrag eingereicht und befindet sich im Peer-Review-Verfahren.

In der zweiten Studie ging es um das wahrgenommene Führungsklima und das Ausmaß der empfundenen psychologischen Sicherheit sowie das Klima der Eigeninitiative (N = 121). Transformationale Führung meint über intrinsische Motivation mit Vision, Ermutigung, Vertrauen, Werten und Kompetenz zu führen (Carless et al., 2000). Wie ziemlich alle Führungsstile wird auch dieser nicht ganz unkritisch gesehen (z. B. Siangchokyoo et al., 2020; Banks et al., 2016), eignete sich jedoch für unseren Arbeitskontext am besten, da im Bereich der Software-Produktentwicklung bspw. viel über Vision und Delegation geführt wird. Das Konzept der psychologischen Sicherheit beinhaltet, dass Andersartigkeit toleriert wird, Fehler werden nicht gegen jemanden verwendet, es besteht das Gefühl, um Hilfe bitten und Risiken eingehen zu können, gegenseitige Wertschätzung von Fähigkeiten und Talenten zu erfahren und Probleme und schwierige Themen aufbringen zu können (Edmondson, 1999; Baer & Frese, 2003). Eigeninitiative meint, unter anderem einen Lösungs- statt Problemfokus zu setzen, Ziele erreichen zu wollen oder Ideen umzusetzen (Frese et al., 1997; Baer & Frese, 2003). Vom Klima spricht man hierbei, wenn es sich auf die gesamte Organisation bezieht (Baer & Frese, 2003).
In der zweiten Studie haben wir den Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Führung und dem erlebten Klima für psychologische Sicherheit untersucht, und ob dieser Zusammenhang durch ein wahrgenommenes Klima für Eigeninitiative hergestellt wird (in der Statistik sagt man auch mediiert wird. Mediation meint, dass es eine dritte Variable gibt, die den Zusammenhang zwischen der abhängigen und unabhängigen Variablen ganz oder teilweise erklärt (Baron & Kenny, 1986)). Die Daten der Studie haben einen signifikanten (partiell mediierenden) Effekt angedeutet, wobei zu vermerken ist, dass Kausalität nur mittels geeignetem Versuchsdesign wie Experimenten zu zeigen ist, somit haben wir hier lediglich Hinweise darauf. Das heißt, transformationale Führung wirkt sich positiv auf das Klima für psychologische Sicherheit aus, wenn wir ein Klima für Eigeninitiative haben. Die Zielgruppe waren weiterhin Teammitglieder von Software-Produktentwicklungsteams in Deutschland. Vielen Dank an alle Probandinnen!

In der im Rahmen der Doktorarbeit abschließenden dritten Studie ging es um die Wahrnehmung von Mitgliedern von Software-Produktentwicklungsteams in Deutschland zur Führung, der Qualität der Teamarbeit, dem Arbeiten als High-Performing Team und individuellem Lernen (N = 224). Wie auch in der zweiten Studie haben wir in der dritten Studie Mediationseffekte untersucht. Wir haben untersucht, ob es einen Effekt von der wahrgenommenen teamspezifischen Führung auf das individuelle Lernen gibt, und ob dieser Zusammenhang durch die Qualität der Teamarbeit bzw. die Wahrnehmung des eigenen Teams als ein High-Performing Team hergestellt wird (in der Statistik sagt man auch mediiert wird).
Die Daten der Studie haben einen signifikanten (partiell mediierenden) Effekt durch das High-Performing Team angedeutet, wobei zu vermerken ist, dass Kausalität nur mittels geeignetem Versuchsdesign wie Experimenten zu zeigen ist, somit haben wir hier lediglich Hinweise darauf. Das heißt, transformationale teamspezifische Führung wirkt sich positiv auf das individuelle Lernen aus, wenn wir ein High-Performing Team haben. Bei der Qualität der Teamarbeit war dies nicht der Fall. Die Zielgruppe waren weiterhin Teammitglieder von Software-Produktentwicklungsteams in Deutschland. Vielen Dank auch hier an alle Probandinnen!


Anderson, N. R., & West, M. A. (1998). Measuring climate for work group innovation: development and validation of the team climate inventory. Journal of Organizational Behavior, 19(3), 235258. https://doi.org/10.1002/(SICI)1099-1379(199805)19:3%3C235::AID-JOB837%3E3.0.CO;2-C
Baer, M., & Frese, M. (2003). Innovation is not enough: climates for initiative and psychological safety, process innovations, and firm performance. Journal of Organizational Behavior, 24(1), 45–68. https://doi.org/10.1002/job.179
Banks, G. C., Davis McCauley, K., Gardner, W. L., & Guler, C. E. (2016). A meta-analytic review of authentic and transformational leadership: A test for redundancy. The Leadership Quarterly, 27(4), 634–652. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2016.02.006
Brodbeck, F. C., Anderson, N., & West, M. A. (2000). Das Teamklima-Inventar: Handanweisung. [The Team Climate Inventory: Manual]. WOP Working Paper No. 2000 / 2. Retrieved from http://www.psy.lmu.de/wirtschaftspsychologie_en/forschung/working_paper/wop_working_paper_2000_2.pdf.
Carless, S. A., Wearing, A. J., & Mann, L. (2000). A Short Measure of Transformational Leadership. Journal of Business and Psychology, 14(3), 389–405. https://doi.org/10.1023/A:1022991115523
Csikszentmihalyi, M. (1999). If we are so rich, why aren’t we happy? American Psychologist, 54, 821–827. https://doi.org/10.1037/0003-066X.54.10.821
Demerouti, E. (2006). Job characteristics, flow, and performance: The moderating role of conscientiousness. Journal of Occupational Health Psychology, 11(3), 266–280. https://doi.org/10.1037/10768998.11.3.266
Edmondson, A. (1999). Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383. https://doi.org/10.2307/2666999
Frese, M., Fay, D., Hilburger, T., Leng, K., & Tag, A. (1997). The concept of personal initiative: Operationalization, reliability and validity of two German samples. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 70(2), 139–161. https://doi.org/10.1111/j.2044-8325.1997.tb00639.x
Kuo, T.H., & Ho, L.A. (2010). Individual difference and job performance: the relationships among personal factors, job characteristics, flow experience, and service quality. Social Behavior and Personality: An International Journal, 38(4), 531552. https://doi.org/10.2224/sbp.2010.38.4.531
Newman, A., Round, H., Wang, S., & Mount, M. (2020). Innovation climate: A systematic review of the literature and agenda for future research. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 93(1), 73–109. https://doi.org/10.1111/joop.12283
Siangchokyoo, N., Klinger, R. L., & Campion, E. D. (2020). Follower transformation as the linchpin of transformational leadership theory: A systematic review and future research agenda. The Leadership Quarterly, 31(1), 101341. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2019.101341


Weitere Informationen zum Forschungsstand

Videos zu unseren Vorträgen findest du hier.
Vorträge von #teamagile

Am 08.04.2021 erschien auf produktbezogen.de der Artikel: Welche Beziehung besteht zwischen Führung und psychologischer Sicherheit? Welche Rolle spielt das Teamklima für Eigeninitiative?

Am 09.11.2020 erschien auf produktbezogen.de der Artikel: Mit Flow, Führung und psychologischer Sicherheit zu mehr Innovation?
Mit Flow, Führung und psychologischer Sicherheit zu mehr Innovation?

Im Rahmen des Ph.D. Programms schreibt Laura einen jährlichen Bericht zum Stand der Forschung mit einem Blick zurück auf das erste Jahr sowie einem Ausblick auf das zweite Jahr. In diesem Bericht findest du ebenfalls zahlreiche Literaturquellen für die verwendeten Konstrukte und Skalen. #teamagile Research Report Summer 2020

#teamagile Research Report Summer 2020

#teamagile Research Report Sommer 2021

#teamagile Research Report Frühjahr 2022

Zukünftige Studien, Ergebnisse und Informationen

Wenn du Fragen zur Forschung hast, wende dich gerne an uns via forschung ‘at’ teamagile.org.